Mittwoch, 23. September 2015

MMM#3: Voll disziplinierte Leinenhose

Vor kurzem wurde in diversen Blogs ja das Thema “Kopfnähen vs. Herznähen“ diskutiert. Abgesehen davon, dass ich überhaupt nicht der Meinung bin, dass „Kopfnähen“ langweilig oder anspruchslos sein muss (ein sehr gutes Beispiel dafür findet sich hier bei Sewing Galaxy), zähle ich mich ganz klar zu dieser Fraktion – ich nähe sehr geplant und tatsächlich nur Dinge, die ich wirklich benötige.

Und ich möchte die Diskussion um Kopfnähen vs. Herznähen noch um einen Aspekt ergänzen: das „Disziplin-Nähen“. Ich bringe es nicht über mich, ein neues Nähprojekt zu beginnen, wenn ein altes noch nicht abgeschlossen ist. UFOs (UnFinishedObjects = unabgeschlossene Projekte) gibt es bei mir nicht. Jetzt hat mich diese disziplinierte Einstellung sehr auf die Probe gestellt: irgendwann Anfang August hatte ich eine Leinenhose zugeschnitten, die dann aber wegen akutem Nähzeitmangel liegen blieb. Nun wurden die Tage wieder kürzer, der Füllgrad meines Kleiderschrankes war noch lange nicht da, wo ich ihn wollte und auch benötige, aber die Schnittteile aus schönem dunkellila Leinen (ursprünglich für Kind1 gekauft) lagen vorwurfsvoll neben der Maschine. Ich konnte absehen, dass ich die Hose dieses Jahr nicht mehr tragen werde, benötigte eigentlich viel dringender noch ein paar Jeans und ein paar wärmende Oberteile - aber zugeschnitten ist zugeschnitten.

Also habe ich mich dann (leise über mich selbst fluchend) an die Maschine gesetzt und die Hose fertig genäht. Der nächste Sommer kommt bestimmt schneller als gedacht, und irgendetwas in mir sagte auch, dass sie nicht pünktlich zum Sommerbeginn fertig sein wird, wenn ich sie jetzt weglege. Einmal überwunden, nähte es sich dann doch schneller als gedacht, und bevor sie bis zum nächsten Sommer im Schrank verschwindet, möchte ich die Hose wenigstens hier auf dem Blog präsentieren:

Frisch von der Wäscheleine

Der Schnitt basiert auf dem Grundschnitt, den ich  mir für meine Jeans erstellt habe, allerdings habe ich an Oberschenkel und Knie etwas mehr Weite zugegeben und auch die Fehler im Grundschnitt (fehlende Nahtzugabe an Bund und Hosensaum) ausgemerzt. Hüftpassentaschen habe ich wieder weggelassen, dafür aber für hinten Paspeltaschen genäht:


Die Paspeltaschen waren wirklich sehr einfach, gearbeitet habe ich nach der Anleitung in "Burda - Nähen leicht gemacht", und nur um sicher zu gehen, habe ich vorher auf einem Reststück eine Probetasche genäht. War leichter als gedacht, doch als es dann konkret wurde, musste ich doch noch kurz rätseln: die Abnäherspitze lief direkt durch meine geplante Paspel, das hatte ich natürlich nicht bedacht. Habe dann beim Vergleich mit Kaufhosen festgestellt, dass das wohl normal ist, und den Tascheneingriff leicht nach unten versetzt sowie den Abnäher gekürzt. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden, beim nächsten Mal würde ich mich aber auch noch einen Taschenverschluss vorsehen (Knopf & Schlaufe oder Knopfloch).

Fehlersuchbild

Für den Bund habe ich übrigens innen einen Kontraststoff verwendet und im Nachhinein bereut, da mir der Abschluss der vorderen Mitte nicht perfekt gelungen ist und somit ein winziges bisschen Kontraststoff hervorblitzt. Den perfekten Bund habe ich auch diesen Mal nicht hinbekommen, die Knopflochseite ist breiter als die Knopfseite. Das habe ich übrigens NOCH NIE perfekt hinbekommen, aber beim Tragen fällt es praktisch nie auf. Insgesamt bin ich aber sehr zufrieden, und ich bin auch sehr zufrieden mit dem Konzept „abgewandelter Grundschnitt“ - eine hat viel mehr Freiheit, die Kleidungsstücke direkt nach den eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten. Für mich ist es auch der konsequente Folgeschritt nach dem Selbstnähen – wenn eine sich die Kleidung eh‘ schon selbst näht, warum sollte sie sich durch vorgegebene Schnittmuster einschränken lassen? Es ist ja auch möglich, einen etablierten Kaufschnitte abzuwandeln, wenn eine nicht mit der Schnittkonstruktion beginnen will. Für Hosen kann ich dazu übrigens das Buch "Making Trousers for Men & Women" von David Coffin empfehlen, er arbeitet nach diesem „Baukastenprinzip“ und stellt in dem Buch Abwandlungen der verschiedenen Hosenelemente vor. Und noch ein Hinweis: Mema und Immi haben sich vorgenommen, auf ihren Blogs eine kleine Reihe zum Thema „Von Schnittmustern unabhängiger machen“ zu präsentieren, das wird sicher auch sehr lesenswert.

Doch jetzt bin ich vom Thema abgekommen und möchte wieder den Bogen zum Anfang schlagen: wie macht ihr das? Näht ihr diszipliniert zu Ende, oder stapeln sich bei Euch die halb fertigen Projekte? Hättet ihr die Leinenhose fertig genäht, oder hättet ihr sie geschoben? Ich würde mich über Kommentare dazu sehr freuen.

Liebe Grüße,
Frau Lotterfix

Verlinkt beim MeMadeMittwoch

22 Kommentare:

  1. Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, weil mein bereits zugeschnittenes Shirt aus dem Erdbeerstoff immer noch in der Ecke schlummert, denn für ein kurzärmeliges Shirt mit vielen kleinen Erdbeeren ist es doch schon zu kalt und auch nicht mehr die rechte Zeit!!
    Deine Hose ist wirklich schön geworden!
    LG Monika

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ha, ich bin also nicht die einzige, die zwischen Zuschnitt und Nähen zuviel Zeit verstreichen lässt! Hast Du Dich von einem anderen Nähprojekt oder von Aufgaben abseits der Nähmaschine ablenken lassen?

      Viele Grüße,
      Frau Lotterfix

      Löschen
  2. die Hose ist wirklich top! Klasse Farbe und die Passform perfekt. ich bewundere Deine Disziplin! Zwar habe ich eigentlich keine UFO allerdings zählt ein Zuschnitt noch nicht als begonnenes Objekt und so hätte ich wohl die zugeschnittene Hose beiseite gelegt und die Herbstproduktion begonnen. LG Kuestensocke

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh, Zuschnitt zählt noch nicht? Sehe ich da etwa ein Schlupfloch? Spaß beiseite, ich habe auch Angst, beim Wegräumen nicht alle Teile richtig zusammenzulegen und somit das Gesamtprojekt zu ruinieren, weil zum Zeitpunkt der Ausführung ein Teil fehlt.

      Viele Grüße,
      Frau Lotterfix

      Löschen
  3. Die "disziplinierte Leinenhose" ist aber sehr hübsch geworden und kommt eigentlich recht leger daher. Einen Hosengrundschnitt hätte ich auch gerne, denn die Passform ist für mich bei Kaufkleidung immer ein einziges Desaster. Ansonsten versuche ich mich ebenfalls am disziplinierten Nähen... es liegen nur 2 UFOs bei mir rum. Liebe Grüße – Mrs Go

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich bin mit Kaufhosen auch selten zufrieden, mittlerweile glaube ich, dass die Entfernung von Taille zu Schritt bei mir einfach größer ist als bei dem Standard-Maßsatz für Kaufkleidung. Unter http://fraulotterfix.blogspot.de/2015/03/hosen-ich-jetzt-auch-selbstkonstruierte.html hab' ich beschrieben, wie mein Weg zum Grundschnitt war, und die Konstruktion war wirklich leichter, als ich ursprünglich gedacht hatte.

      Viele Grüße,
      Frau Lotterfix

      Löschen
  4. Das ist ja unglaublich, dass du alles erstmal zuende nähst. Sehr schön, dass du dir Diskusion um eine Sparte erweitert hast. Bin echt gespannt, wie viele das so machen. Also meist nähe ich alles zu Ende, aber es bleibt auch schonmal was liegen, Z.B. ein Sommerteil über den Winter. Und viele Ufos gibt es bei mir nicht, die werden dann einfach irgendwann entsorgt oder zu was anderem verarbeitet. Denn die rauben nur Platz und machen ein schlechtes Gewissen. Das ist beides blöd. Ja und die Hose ist sehr schön und ja jetzt auch noch gut zu tragen. Noch was: ich finde keinen link zum MMM im Beitrag. Kannst du den noch einfügen. Oder hab ich ihn überlesen?
    LG Karin

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja, das mit dem schlechten Gewissen ist echt komisch, oder? Frage mich, woher das wohl kommt. Wenn mal was wirklich schief läuft, dann nähe ich es auch nicht zu Ende, sondern entsorge es schnell und beherzt. Mittlerweile stecke ich aber auch soviel Zeit in die Vorplanung, dass das kaum noch vorkommt.

      Viele Grüße,
      Frau Lotterfix

      Löschen
  5. Ich hab den link zum MMM gefunden, nachdem ich meine Lupe ausgepackt hab :-)
    LG Karin

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. So klein fand' ich ihn eigentlich gar nicht, hab ihn aber nochmal größer gemacht :-)

      Löschen
  6. Tolle Farbe, guter Schnitt - eine sehr schöne Hose. Die Farbe ist einfach viel kombinationsfreundlicher, als man erst so denkt...
    Ich gehöre (leider) nicht zu der disziplinierten Fraktion, bei mir bleibt schon mal etwas angefangen liegen. Unter anderem aber auch aus dem Grund, dass ich nicht 100%ig sicher sein kann, dass das zugeschnittene Teil in 6/7 Monaten noch ohne Anpassungen passt.
    Aber meine Bewunderung hast du.
    Gruß
    Petra

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Leider passt die Farbe nicht zu meinen blauen Blazern, die ich im Büro meist trage, aber an heißen Sommertagen (= Plan für die Hose) kommen die auch selten zum Einsatz.
      Ich habe das Gefühl, meine Figur ist aktuell recht konstant, habe da für den nächsten Sommer also keine Bedenken. Ich hatte mich aber aus einem ähnlichen Grund lange vor dem Maßschnitt gedrückt - nach dem Motto "ich will ja eigentlich noch 3 Kilo abnehmen" ...nur, um eine runde Zahl zu erreichen, an sich bin ich mit meiner Figur im Reinen.

      Viele Grüße,
      Frau Lotterfix

      Löschen
  7. Tolle Hose, sitzt gut und die Farbe ist - genau meine !

    Zu deiner Frage: mein letzter Mantel hat 11 Monate gedauert und auch sonst bin ich Spezialistin für Prokastination. Gern habe ich mehrere angefangene Dinge liegen, was mich tierisch nervt. Mal ist es mir zu kompliziert, da reicht die Konzentration nicht mehr. Mal verlässt mich schlicht die Lust oder Laune weiterzumachen. Oder, auch begehrt, ich muss UNBEDINGT was völlig Neues anfangen. Ab und zu ereilt mich dann der Rappel sofort angefangene Sachen fertigzustellen. Dann ist mit einem Schlag viel fertig.
    Ich finde es gibt schlimmeres!
    Herzliche Grüße
    Astrid

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. 11 Monate! Wow, da finde ich es aber super, dass Du ihn fertiggestellt hast. Bei mir dauern Dinge manchmal länger, weil ich mir vor komplizierten Stellen drücke - letztes Jahr z. Bsp. habe ich mich ewig vor den Eingriffstaschen an einem Trenchcoat für Kind1 gedrückt. Klingt ein bisschen so, als wäre es Dir bei dem Mantel ähnlich ergangen :-)

      Aber Du hast Recht - ich finde auch, dass es schlimmeres gibt. Letztendlich soll das Nähen ja auch Spaß machen! Finde es aber sehr spannend, die verschiedenen Statements hier zu lesen. Danke!

      Viele Grüße,
      Frau Lotterfix

      Löschen
  8. Ich fang mal bei der Hose an: Gefällt mir sehr gut! Die Farbe ist klasse und sie sitzt super! Grundsätzlich teile ich deine Einstellung - ich nähe auch in der Regel erstmal fertig, was angefangen ist, mit klitzekleinen Ausnahmen (aber die bestätigen ja bekanntlich die Regel... ; ) Was mich echt beeindruckt, ist, dass du diesen gut sitzenden Hosenschnitt selbst konstruiert hast. Deinen Buchtipp muss ich mir unbedingt mal anschauen.
    Viele Grüße
    Friedalene

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke für das Lob! Ich bin mit dem Fall am hinteren Oberschenkel noch nicht komplett zufrieden (kann man auf den Fotos nicht sehen), aber "obenrum", d.h. in den Bereichen Taille/Hüfte/Schritt sitzt die Hose wirklich gut & auch bequem. Und das sind meiner Meinung nach die kritischen Bereiche, also bin ich zufrieden - ist also eher Jammern auf hohem Niveau.
      Ich habe aktuell zwei Jeans zugeschnitten (werden aus Effizienzgründen parallel genäht), für die ich den ursprünglichen Schnitt im Oberschenkel etwas enger gemacht habe, mal schauen, wie die werden.

      Viele Grüße, Frau Lotterfix

      Löschen
  9. Mir gefällt deine Hose ausserordentlich. Man sieht ihr die Mühe an, mit den Paspeltaschen und Abnähern und dem Bund... Ein tolles Teil.
    Wenn sie schon zugeschnitten war, hätte ich sie wohl auch zusammengenäht. So geschehen mit einem Kleid letzte Woche. Das sollte eigentlich für den Sommerurlaub sein, aber dann ging die Maschine kaputt. Jetzt ist es fertig.
    Und der nächste Sommer kommt bestimmt!!
    Liebe Grüsse, Sylvie

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh nein, ich hatte es auch einmal, dass mir die Maschine mitten im Projekt kaputt ging, das ist voll frustrierend. Aber schön, dass Du das Kleid jetzt auch fertig bekommen hast!

      Löschen
  10. Also, besser ist es schon, an den Sachen dran zu bleiben. Einmal weg gelegt - aus welchem Grund auch immer - dann fällt es mir schwer, da wieder rein zu kommen. Gerade bei etwas aufwändigeren Teilen. Ich veränder oft was an den Schnitten, das weiß ich dann nach 2 Monaten aber nicht mehr so ganz genau. Also leg ich das Teil dann erst mal wieder weg... Eine Möglichkeit ist bestimmt, sich alles so gut aufzuschreiben, dass man dann sofort an der Stelle weiter machen kann, wo man aufgehört hat. Und in dem Moment nicht zu glauben, ach, das brauch ich nicht aufschreiben, das merk ich mir doch!
    Aber am allerbesten ist... genau: einfach in einem Zug fertig machen.
    Viel Spaß beim Tragen deiner Hose (im nächsten Jahr) wünscht
    Andrea

    AntwortenLöschen
  11. Deine Hose macht wirklich ein schlankes Bein! Sieht toll aus!
    Ich selbst bin übrigens anders als die meisten anderen: Wenn ich ein Teil angefangen habe dann MUSS das auch fertig - da gibt es kein Vertun und also auch keine Ufos. ;)

    Liebe Grüße
    Immi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke! Wobei ich selbst überrascht war, wie gut die Fotos geworden sind - oder wahrscheinlich war ich einfach zu selbstkritisch beim Blick in den Spiegel.

      Löschen